Was ist ein Rettungstransportwagen (RTW)?
Ein Rettungstransportwagen (RTW) ist ein speziell ausgerüstetes Fahrzeug für die präklinische Notfallversorgung und den Transport von Notfallpatienten. Der RTW stellt das Rückgrat des deutschen Rettungsdienstes dar und ist nach der europäischen Norm DIN EN 1789 als Typ C klassifiziert - eine "Mobile Intensive Care Unit" (MICU).
Der RTW unterscheidet sich grundlegend von anderen Rettungsfahrzeugen durch seine umfangreiche medizinische Ausstattung und die Qualifikation seiner Besatzung. Während ein Krankentransportwagen (KTW) primär für den Transport nicht-akuter Patienten konzipiert ist, verfügt der RTW über die Ausrüstung und das Personal zur Behandlung lebensbedrohlicher Notfälle.

Kernmerkmale eines RTW
Medizinische Ausstattung: Umfassende Notfallausrüstung für erweiterte lebensrettende Maßnahmen
Qualifizierte Besatzung: Mindestens ein Notfallsanitäter als Transportführer
Patientenraum: Mindestens 10 m² Grundfläche mit 1,9 m Stehhöhe
24/7-Einsatzbereitschaft: Rund um die Uhr verfügbar für Notfälle
Geschichte der Rettungstransportwagen
Die Entwicklung der Rettungstransportwagen in Deutschland ist eng mit der Evolution des Rettungsdienstes verbunden. Die ersten organisierten Rettungsdienste entstanden bereits im 19. Jahrhundert, doch die modernen RTW, wie wir sie heute kennen, entwickelten sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
In den 1960er Jahren führte die Erkenntnis, dass viele Notfallpatienten bereits am Unfallort oder während des Transports verstarben, zu einer grundlegenden Neuausrichtung des Rettungsdienstes. Das Konzept "Stay and Play" - die Stabilisierung des Patienten vor Ort - gewann gegenüber dem bis dahin praktizierten "Scoop and Run" an Bedeutung.
Die Einführung der DIN-Norm 75080 im Jahr 1977 und später der europäischen Norm DIN EN 1789 standardisierte die Anforderungen an Rettungsfahrzeuge. Diese Normierung führte zu einer deutlichen Verbesserung der Qualität und Einheitlichkeit der RTW-Ausstattung in Deutschland.
Zeitraum | Entwicklung | Bedeutung |
---|---|---|
1960er Jahre | Erste moderne Rettungswagen | Grundstein für heutige RTW-Konzepte |
1977 | Einführung DIN 75080 | Erste deutsche Normierung |
1999 | DIN EN 1789 | Europäische Standardisierung |
2014 | Notfallsanitätergesetz | Aufwertung der Qualifikation |
Abgrenzung zu anderen Rettungsfahrzeugen
Im deutschen Rettungsdienst kommen verschiedene Fahrzeugtypen zum Einsatz, die sich in Ausstattung, Besatzung und Einsatzspektrum unterscheiden. Die klare Abgrenzung dieser Fahrzeugtypen ist essentiell für das Verständnis des Rettungsdienstsystems.
Krankentransportwagen (KTW)
DIN EN 1789 Typ A: Für den Transport von Patienten, die keine Notfallbehandlung benötigen
Besatzung: Rettungssanitäter oder Rettungsassistent
Ausstattung: Grundausstattung für Erste Hilfe und Überwachung
Einsatz: Geplante Krankentransporte, Verlegungen
Rettungstransportwagen (RTW)
DIN EN 1789 Typ C: Mobile Intensive Care Unit für Notfallrettung
Besatzung: Notfallsanitäter + Rettungssanitäter
Ausstattung: Umfassende Notfallausrüstung
Einsatz: Notfallrettung, kritische Transporte
Notarztwagen (NAW)
DIN EN 1789 Typ C: RTW mit zusätzlichem Notarzt
Besatzung: Notarzt + Notfallsanitäter + Rettungssanitäter
Ausstattung: Erweiterte Medikamentenausstattung
Einsatz: Schwere Notfälle, invasive Maßnahmen
Notarzteinsatzfahrzeug (NEF)
Typ: Schnelles Einsatzfahrzeug ohne Transportmöglichkeit
Besatzung: Notarzt + Notfallsanitäter
Ausstattung: Notarztausrüstung, Medikamente
Einsatz: Rendezvous-System mit RTW
Einsatzgebiete und Aufgaben
Der Rettungstransportwagen ist das vielseitigste Fahrzeug im deutschen Rettungsdienst und kommt bei einer breiten Palette von Notfällen zum Einsatz. Die Hauptaufgaben umfassen sowohl die präklinische Notfallversorgung als auch den sicheren Transport von Patienten in geeignete Behandlungseinrichtungen.
Primäre Einsatzgebiete
Internistische Notfälle bilden den größten Anteil der RTW-Einsätze. Dazu gehören Herzinfarkte, Schlaganfälle, diabetische Entgleisungen, Atemnot und andere akute Erkrankungen. Der RTW ermöglicht es, bereits am Einsatzort mit lebensrettenden Maßnahmen zu beginnen und diese während des Transports fortzusetzen.
Traumatologische Einsätze umfassen Verkehrsunfälle, Stürze, Arbeitsunfälle und andere Verletzungen. Hier ist die schnelle Stabilisierung von Vitalfunktionen und die fachgerechte Immobilisation von Verletzungen entscheidend für das Outcome des Patienten.
Neurologische Notfälle wie Schlaganfälle, Krampfanfälle oder Bewusstseinsstörungen erfordern eine schnelle Diagnostik und gezielte Therapie. Der RTW verfügt über die notwendige Ausrüstung zur Überwachung neurologischer Parameter.
Herz-Kreislauf-Notfälle
• Herzinfarkt (STEMI/NSTEMI)
• Herzrhythmusstörungen
• Herzinsuffizienz
• Hypertensive Krise
• Reanimation
Respiratorische Notfälle
• Asthma bronchiale
• COPD-Exazerbation
• Pneumonie
• Lungenembolie
• Pneumothorax
Traumatische Verletzungen
• Polytrauma
• Schädel-Hirn-Trauma
• Wirbelsäulenverletzungen
• Extremitätenfrakturen
• Verbrennungen
Sekundäre Aufgaben
Neben der primären Notfallrettung übernehmen RTW auch wichtige sekundäre Aufgaben im Gesundheitssystem. Dazu gehören Intensivtransporte zwischen Kliniken, bei denen kritisch kranke Patienten unter kontinuierlicher medizinischer Überwachung verlegt werden müssen.
Bei Großschadensereignissen und Katastrophen fungieren RTW als mobile Behandlungsplätze und unterstützen die Versorgung einer größeren Anzahl von Verletzten. Ihre Ausstattung und die Qualifikation der Besatzung machen sie zu unverzichtbaren Komponenten des Katastrophenschutzes.
Besatzung und Qualifikationen
Die Besatzung eines RTW besteht standardmäßig aus mindestens zwei qualifizierten Rettungsdienstmitarbeitern. Der Transportführer muss die Qualifikation als Notfallsanitäter besitzen, während der Fahrer mindestens als Rettungssanitäter ausgebildet sein muss.
Position | Mindestqualifikation | Ausbildungsdauer | Hauptaufgaben |
---|---|---|---|
Transportführer | Notfallsanitäter | 3 Jahre | Patientenversorgung, Therapieentscheidungen |
Fahrer | Rettungssanitäter | 520 Stunden | Fahrzeugführung, Assistenz bei Behandlung |
Optional | Rettungsassistent | 2 Jahre | Übergangsqualifikation zu Notfallsanitäter |
Der Notfallsanitäter als höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst ist berechtigt, eigenverantwortlich erweiterte Maßnahmen durchzuführen. Dazu gehören die Gabe bestimmter Medikamente, invasive Maßnahmen wie die Anlage von Venenzugängen und die Durchführung von Intubationen in lebensbedrohlichen Situationen.
Rechtliche Grundlagen
Der Einsatz von Rettungstransportwagen ist in Deutschland durch verschiedene Gesetze und Verordnungen geregelt. Die Rettungsdienstgesetze der Länder definieren die Anforderungen an Fahrzeuge, Personal und Organisation des Rettungsdienstes.
Das Notfallsanitätergesetz (NotSanG) von 2014 regelt die Ausbildung und die Kompetenzen des Rettungsdienstpersonals. Es ermöglicht Notfallsanitätern, in Notfallsituationen auch ohne Anwesenheit eines Notarztes erweiterte Maßnahmen durchzuführen.
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) gewährt RTW bei Einsatzfahrten mit Sonder- und Wegerechten besondere Privilegien, verpflichtet aber gleichzeitig zu erhöhter Sorgfalt im Straßenverkehr.