Der RTW im Rettungsdiensteinsatz
Der Rettungstransportwagen (RTW) ist das Rückgrat des deutschen Rettungsdienstes und kommt täglich bei tausenden von Einsätzen zum Einsatz. Von lebensbedrohlichen Notfällen bis hin zu geplanten Krankentransporten deckt der RTW ein breites Spektrum medizinischer Situationen ab.
Die Einsatzrealität stellt hohe Anforderungen an Fahrzeug, Ausstattung und Personal. Jeder Einsatz ist anders und erfordert flexible Anpassung an die jeweilige Situation. Dabei müssen medizinische Qualität, Sicherheit und Effizienz gleichermaßen gewährleistet werden.
12 Mio.
RTW-Einsätze pro Jahr in Deutschland
8-12
Minuten durchschnittliche Hilfsfrist
24/7
Einsatzbereitschaft rund um die Uhr
95%
Hilfsfristerreichung in Deutschland
Einsatzgebiete und Indikationen
RTW werden bei einer Vielzahl von medizinischen Notfällen und Krankentransporten eingesetzt. Die Bandbreite reicht von akuten lebensbedrohlichen Situationen bis hin zu geplanten Verlegungen zwischen Krankenhäusern.
Notfalleinsätze
Bei Notfalleinsätzen steht die schnelle Hilfe im Vordergrund. Der RTW muss innerhalb der vorgegebenen Hilfsfrist am Einsatzort eintreffen und sofort mit lebensrettenden Maßnahmen beginnen können.
Einsatzart | Häufigkeit | Typische Situationen | Besonderheiten |
---|---|---|---|
Herz-Kreislauf-Notfälle | 25% | Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen | Zeitkritisch, oft Notarzt erforderlich |
Neurologische Notfälle | 15% | Schlaganfall, Krampfanfälle | Stroke Unit Transport |
Traumata | 20% | Verkehrsunfälle, Stürze | Immobilisation, Traumazentrum |
Atemwegsnotfälle | 12% | Asthma, COPD-Exazerbation | Beatmung, Sauerstofftherapie |
Sonstige Notfälle | 28% | Vergiftungen, Bewusstlosigkeit | Vielfältige Symptome |
Krankentransporte
Neben Notfalleinsätzen führen RTW auch geplante Krankentransporte durch. Diese umfassen Verlegungen zwischen Krankenhäusern, Transporte zu Dialyse oder anderen Behandlungen sowie Entlassungstransporte.
Bei Krankentransporten steht nicht die Geschwindigkeit, sondern die schonende und sichere Beförderung des Patienten im Vordergrund. Dennoch muss die medizinische Überwachung und Betreuung während des Transports gewährleistet sein.
Notfalltransporte
Charakteristika: Zeitkritisch, unvorhersehbar
Ziel: Schnelle Hilfe, Stabilisierung
Besatzung: Notfallsanitäter + Rettungssanitäter
Ausstattung: Vollständige Notfallausrüstung
Fahrt: Mit Sonder- und Wegerechten
Krankentransporte
Charakteristika: Geplant, vorhersehbar
Ziel: Schonender Transport
Besatzung: Rettungssanitäter + Fahrer
Ausstattung: Grundausstattung, Überwachung
Fahrt: Normale Verkehrsregeln
Einsatzablauf und Alarmierung
Der Einsatzablauf folgt standardisierten Verfahren, die eine effiziente und qualitativ hochwertige Versorgung gewährleisten. Von der Alarmierung bis zur Übergabe im Krankenhaus sind alle Schritte genau definiert.
Alarmierung und Disposition
Die Alarmierung erfolgt über die Rettungsleitstelle, die rund um die Uhr besetzt ist. Hier gehen alle Notrufe ein, werden bewertet und die entsprechenden Rettungsmittel alarmiert.
1. Notrufannahme
Notruf 112: Zentrale Rufnummer
Abfrage: Wo, Was, Wie viele, Welche
Bewertung: Dringlichkeit und Ressourcen
Zeit: 1-2 Minuten
2. Disposition
Fahrzeugauswahl: RTW, NEF, NAW
Alarmierung: Digitaler Meldeempfänger
Navigation: GPS-Koordinaten
Zeit: 30-60 Sekunden
3. Ausrückung
Bereitschaft: Sofortige Abfahrt
Status: "Unterwegs" an Leitstelle
Navigation: Optimale Route
Ziel: Hilfsfrist einhalten
Anfahrt zum Einsatzort
Die Anfahrt zum Einsatzort erfolgt unter Beachtung der Verkehrssicherheit. Bei Notfalleinsätzen können Sonder- und Wegerechte in Anspruch genommen werden, um schnell zum Patienten zu gelangen.
Moderne RTW sind mit Navigationssystemen ausgestattet, die die optimale Route berechnen und Verkehrsstörungen berücksichtigen. Die Leitstelle kann zusätzliche Informationen zum Einsatzort übermitteln.
Einsatz am Notfallort
Am Einsatzort beginnt sofort die Patientenversorgung. Das Team arbeitet nach standardisierten Algorithmen, die eine systematische und vollständige Versorgung gewährleisten.
Phase | Maßnahmen | Zeitrahmen |
---|---|---|
Ersteinschätzung | ABCDE-Schema, Vitalparameter | 1-2 Minuten |
Stabilisierung | Lebensrettende Sofortmaßnahmen | 5-10 Minuten |
Diagnostik | EKG, Blutzucker, Anamnese | 5-15 Minuten |
Therapie | Medikamente, Immobilisation | 10-20 Minuten |
Transport | Schonende Umlagerung | 5-10 Minuten |
Patientenversorgung im RTW
Die Patientenversorgung im RTW erfordert besondere Fähigkeiten, da die Behandlung unter beengten Verhältnissen und während der Fahrt erfolgen muss. Das Personal muss flexibel auf verschiedene Notfallsituationen reagieren können.
Primäre Versorgung (Primary Survey)
Die primäre Versorgung folgt dem ABCDE-Schema und konzentriert sich auf die Identifikation und Behandlung lebensbedrohlicher Probleme. Diese Systematik gewährleistet, dass keine wichtigen Aspekte übersehen werden.
ABCDE-Schema
A - Airway: Atemwege freimachen/sichern
B - Breathing: Atmung beurteilen/unterstützen
C - Circulation: Kreislauf stabilisieren
D - Disability: Neurologie beurteilen
E - Exposure: Entkleiden/Umgebung
Vitalparameter
Bewusstsein: Glasgow Coma Scale
Atmung: Frequenz, Qualität, SpO2
Kreislauf: Puls, Blutdruck
Temperatur: Körpertemperatur
Schmerz: Schmerzskala 1-10
Erweiterte Maßnahmen
Nach der Stabilisierung der Vitalfunktionen können erweiterte diagnostische und therapeutische Maßnahmen durchgeführt werden. Diese richten sich nach der spezifischen Situation und den Kompetenzen des Personals.
Notfallsanitäter sind berechtigt, eigenverantwortlich oder nach standardisierten Vorgaben erweiterte Maßnahmen durchzuführen. Dazu gehören die Anlage von Venenzugängen, die Gabe von Medikamenten und in besonderen Situationen auch invasive Maßnahmen.
Monitoring und Überwachung
Während des gesamten Einsatzes müssen die Vitalparameter kontinuierlich überwacht werden. Moderne Monitoring-Systeme ermöglichen die gleichzeitige Überwachung mehrerer Parameter und warnen vor kritischen Veränderungen.
Parameter | Normalwerte | Kritische Werte | Maßnahmen |
---|---|---|---|
Herzfrequenz | 60-100/min | <50 oder >150/min | Medikamente, Schrittmacher |
Blutdruck | 120/80 mmHg | <90 oder >180 mmHg | Volumen, Vasopressoren |
Sauerstoffsättigung | >95% | <90% | Sauerstoff, Beatmung |
Atemfrequenz | 12-20/min | <8 oder >30/min | Beatmungsunterstützung |
Transport und Fahrt ins Krankenhaus
Der Transport ins Krankenhaus ist ein kritischer Teil des Einsatzes. Während der Fahrt muss die medizinische Versorgung fortgesetzt werden, während gleichzeitig die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet sein muss.
Transportvorbereitung
Vor dem Transport muss der Patient stabilisiert und sicher auf der Krankentrage fixiert werden. Alle medizinischen Geräte müssen für den Transport vorbereitet und gesichert werden.
Patientenvorbereitung
• Stabilisierung der Vitalfunktionen
• Sichere Lagerung auf der Trage
• Fixierung mit Gurtsystem
• Immobilisation bei Verletzungen
• Schmerztherapie
Gerätevorbereitung
• Monitoring-Geräte anschließen
• Infusionen sichern
• Beatmungsgerät transportbereit
• Medikamente griffbereit
• Notfallausrüstung zugänglich
Zielkrankenhaus-Auswahl
Die Auswahl des Zielkrankenhauses erfolgt nach medizinischen Kriterien und der Verfügbarkeit von Behandlungsplätzen. Für bestimmte Krankheitsbilder gibt es spezialisierte Zentren, die bevorzugt angefahren werden.
Die Leitstelle koordiniert die Krankenhaus-Auswahl und meldet den Transport an. Bei kritischen Patienten erfolgt eine Voranmeldung mit Übergabe der wichtigsten Patientendaten.
Fahrt unter besonderen Bedingungen
Je nach Zustand des Patienten kann die Fahrt mit Sonder- und Wegerechten erfolgen. Dies erfordert besondere Vorsicht, da die medizinische Versorgung während der Fahrt fortgesetzt werden muss.
Transportart | Indikation | Fahrweise | Besonderheiten |
---|---|---|---|
Notfalltransport | Lebensbedrohliche Situation | Mit Sonder- und Wegerechten | Kontinuierliche Überwachung |
Dringlicher Transport | Zeitkritische Behandlung | Zügig, aber vorsichtig | Regelmäßige Kontrollen |
Normaler Transport | Stabile Patienten | Schonende Fahrweise | Komfort für Patient |
Intensivtransport | Beatmete Patienten | Sehr vorsichtig | Spezialisiertes Personal |
Übergabe im Krankenhaus
Die Übergabe im Krankenhaus ist ein kritischer Moment, in dem alle wichtigen Informationen über den Patienten und die durchgeführten Maßnahmen übertragen werden müssen. Eine strukturierte Übergabe verhindert Informationsverluste.
SBAR-Kommunikation
Für die Übergabe hat sich das SBAR-Schema bewährt, das eine strukturierte und vollständige Informationsübertragung gewährleistet. Diese Systematik wird international in der Notfallmedizin verwendet.
SBAR-Schema
S - Situation: Was ist passiert?
B - Background: Vorgeschichte, Anamnese
A - Assessment: Aktuelle Befunde
R - Recommendation: Empfehlungen
Übergabeinhalte
• Personalien und Alter
• Unfallhergang/Symptome
• Vitalparameter
• Durchgeführte Maßnahmen
• Medikamentengabe
• Besonderheiten
Dokumentation
Alle Einsätze müssen vollständig dokumentiert werden. Die Dokumentation dient der Qualitätssicherung, der Abrechnung und als rechtlicher Nachweis der durchgeführten Maßnahmen.
Moderne RTW verwenden zunehmend elektronische Dokumentationssysteme, die eine strukturierte Erfassung ermöglichen und automatisch Zeiten und Vitalparameter übernehmen können.
Besondere Einsatzsituationen
RTW müssen auch in besonderen Situationen einsatzfähig sein. Dazu gehören Großschadensereignisse, Katastrophen, Infektionslagen oder Einsätze unter erschwerten Bedingungen.
Großschadensereignisse
Bei Großschadensereignissen mit vielen Verletzten müssen RTW in ein koordiniertes Hilfeleistungssystem eingebunden werden. Hier gelten besondere Verfahren für Triage, Behandlung und Transport.
Triage
Rot: Lebensbedrohlich, sofortige Behandlung
Gelb: Schwer verletzt, aufgeschobene Behandlung
Grün: Leicht verletzt, gehfähig
Schwarz: Verstorben oder hoffnungslos
Organisation
• Einsatzleitung vor Ort
• Behandlungsplatz
• Transportorganisation
• Krankenhaus-Koordination
• Nachforderung von Kräften
Besonderheiten
• Viele RTW im Einsatz
• Erweiterte Behandlungszeiten
• Verteilung auf Krankenhäuser
• Angehörigenbetreuung
• Medienarbeit
Infektionsschutz
Bei Verdacht auf übertragbare Krankheiten müssen besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden. Dies umfasst persönliche Schutzausrüstung, Isolationsmaßnahmen und spezielle Desinfektionsverfahren.
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Infektionsschutz im Rettungsdienst ist. RTW müssen entsprechend ausgerüstet und das Personal geschult sein.
Extremwetterereignisse
Extremwetterereignisse wie Hochwasser, Sturm oder extreme Hitze stellen besondere Anforderungen an RTW und Personal. Die Fahrzeuge müssen auch unter schwierigen Bedingungen einsatzfähig bleiben.
Qualitätssicherung und Nachbereitung
Die Qualitätssicherung im Rettungsdienst umfasst verschiedene Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung. Dazu gehören die Nachbereitung von Einsätzen, Qualitätszirkel und die Auswertung von Kennzahlen.
Einsatznachbereitung
Besonders schwierige oder belastende Einsätze werden systematisch nachbereitet. Dies dient sowohl der fachlichen Reflexion als auch der psychischen Entlastung des Personals.
Art der Nachbereitung | Zeitpunkt | Teilnehmer | Ziele |
---|---|---|---|
Hot Wash-up | Direkt nach Einsatz | Einsatzteam | Sofortige Reflexion |
Einsatzbesprechung | Innerhalb 24h | Team + Führung | Fachliche Analyse |
Qualitätszirkel | Regelmäßig | Mehrere Teams | Systematische Verbesserung |
Supervision | Bei Bedarf | Betroffene + Supervisor | Psychische Entlastung |
Kennzahlen und Benchmarking
Verschiedene Kennzahlen werden zur Bewertung der Rettungsdienstqualität herangezogen. Dazu gehören Hilfsfristen, Überlebensraten bei Reanimation und Patientenzufriedenheit.
Das Benchmarking mit anderen Rettungsdiensten ermöglicht es, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und Best Practices zu übernehmen.